von Dr. Henrik Hoffmann, www.es-spricht.de
Der bpt-Kongress in Hannover findet alle zwei Jahre parallel
zur Eurotier statt. Naheliegend, dass Nutztiere und Berufspolitik
Kernthemen des Kongresses sind. Drei Gesetzänderungen stehen an – nicht
unbedingt zur Zufriedenheit der Tierärzte.
Derzeit stehen Arzneimittelgesetz, Tierschutzgesetz und
Tiergesundheitsgesetz im Gesetzgebungsverfahren bzw. vor einer
Neuordnung.
Das Tiergesundheitsgesetz wird im Prinzip das Tierseuchengesetzablösen. Wichtigste Neuerung: Die EU will weg von der Nicht-Impf-Politik hin zur Impfung im Seuchenfall. Konkret bedeutet das, dass bei Ausbruch gravierender Tierseuchen wie
der Schweinepest oder der Maul-und-Klauen-Seuche zukünftig geimpft
werden kann. Das haben die Tierärzte schon lange gefordert. Bisher wurde
“gekeult” – es wurden also Millionen Tiere getötet und “entsorgt”.
Geimpfte Tiere durften bislang nicht vermarktet werden. Dies galt
insbesondere für den internationalen Handel.
Zum Thema Arzneimittelgesetz (AMG) gibt es derzeit zwei interessante Diskussionen:
- Die Tierärzte – so Dr. Hans-Joachim Götz, Präsident des
Bundesverbandes praktizierender Tierärzte – setzen “weniger auf
Regulierung als auf Monitoring in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft
und dem Bauernverband”. Das ist auch unter Tierärzten nicht
unumstritten. Manche sehen eine “gefährliche Nähe zur Agrarindustrie”
anstatt unabhängiger Kontrollen durch den Staat. Götz hält dies
gegenwärtig allerdings für die einzig praktikable Lösung, da Kontrollen
durch den Staat aus organisatorischen und finanziellen Gründen nicht in
absehbarer Zeit umsetzbar sein dürften.
- Bestrebungen, den Landwirten den Einsatz von Betäubungsmittel ohne
Tierarzt freizugeben, sieht Götz als Katastrophe. In einer
Podiumsdiskussion erklärte er den Politikern. “Auf der einen Seite will
man uns die Antibiotika aus der Hand nehmen, auf der anderen Seite
Landwirten zum Beispiel die Modedroge Ketamin um die sich jeder Junkie
reisst frei verfügbar machen…!”
Das Thema “Dispensierrecht” ist nach wie vor am
Gären. Das Europäische Parlament entscheidet am 10. Dezember, ob das
Dispensierrecht von EU-Seite her Bestand haben wird (Rosbach-Bericht).
Dies hat zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf uns – wird jedoch als
weiterer Baustein gesehen, das Privileg deutscher Tierärzte Medikamente
verkaufen zu dürfen, zu Fall zu bringen. Es bleibt zu hoffen, dass die
Kollegen die Zeichen der Zeit erkennen und daran arbeiten, den
Antibiotika-Einsatz von derzeit über 1700 Tonnen antibiotisch wirksamer
Substanzen jährlich deutlich zu senken… Der Wille dazu scheint manchmal
zu fehlen. Politiker, die nebenbei Landwirte sind, sagen, sie “hätten
bislang jedes Antibiotikum widerspruchslos bekommen”.
Ein trauriges Kapitel ist die Novellierung des Tierschutzgesetzes.
Zunächst sah es danach aus, als ob wichtige Neuerungen zügig umgesetzt
werden würden. Themen waren die Umsetzung der Versuchstier-Richtlinie,
das Qualzuchtverbot, der Verbot des Schenkelbrandes, Schlachtung und
Ergänzungen bezüglich der gesetzlichen Regelungen zur Kaninchenhaltung.
“Doch dann kamen Forderungen über Forderungen von allen Seiten”, so ein
Standespolitiker. “Mittlerweile kann man nicht damit rechnen, dass die
Parteien vor den Wahlen an diese heissen Eisen herangehen werden!”
Ein letzter Punkt war wieder einmal die Gebührenordnung für Tierärzte.
Auch sie müsste dringend überarbeitet werden. Deutschland ist
allerdings das einzige Land mit Gebührenordnungen für freie Berufe wie
unter anderem auch Architekten. Daher sei laut Götz zu befürchten, dass
die GOT von der EU im kommenden Jahr abgeschafft wird. Erfahrungen haben
gezeigt, dass das zunächst unter Tierärzten zu Preiskämpfen führt und
damit verbunden zur “Marktbereinigung” – sprich zur Pleite vieler
Praxen. In allen anderen europäischen Ländern folgten darauf drastische
Preisanstiege. Zum Nachteil der Verbraucher…. Tierärzte in europäischen
Nachbarländern beneiden uns deutsche geradezu um unsere Gebührenordnung –
Tierbesitzer natürlich auch. denn nur so sind wirklich transparente
Preise möglich.#
Obwohl diese Themen vor allem praktizierende Tierärzte
betreffen waren von den deutlich über 2200 Kongressteilnehmern nur ein
klägliches Häuflein Tierärzte zu den berufspolitischen Themen gekommen.
“Das kann ich nicht verstehen”, so der Friedberger Amtstierarzt Dr.
Rudolf Müller. “Da müsst ihr euch doch einsetzen!” Recht hat er! Im
Nachgang wurden die Themen unter den Praktikern aufgeregt diskutiert,
online wie 1.o . Schade, dass gerade die Lautetesten bei den
Veranstaltungen nicht anwesend waren…
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